Frage zum Trittschallschutz
BAU-Forum: Estrich und Bodenbeläge

Frage zum Trittschallschutz

Liebe Leser,

ich habe eine etwas theoretische Frage zum (Tritt-) Schallschutz.

Auf juristischer Ebene wurde in den letzten Jahren klargestellt, dass die Einhaltung der DINAbk. 4109 allein nicht den aaRdTAbk. entspricht. Oder anders gesagt: Die "mittlere Qualität und Güte", die bei nicht anderslautenden vertraglichen Vereinbarungen üblicherweise geschuldet ist, wird in Sachen Schallschutz nicht vollumfänglich durch die Forderungen der DIN 4109 abgebildet.

Häufig läuft das darauf hinaus, dass z.B. für den bewerteten Trittschallpegel von Fußbodenkonstruktionen höhere Werte als die 53 dBAbk. aus der DIN 4109 einzuhalten sind. Soweit so gut.

Das in der entsprechenden DIN festgeschriebene Messverfahren deckt aber nur einen Teil des menschlichen Hörvermögens ab (bestimmter Frequenzbereich). Insbesondere der Bereich tiefer Frequenzen unterhalb von 100 Hz wird nicht berücksichtigt. Zweifellos ist die Trittschalldämmung aber auch in diesem niedrigen Frequenzbereich relevant. Dies gilt umso mehr als mit der Verbreitung der Fußbodenheizung auch das barfuß bzw. mit Socken laufen zum Standard wird. Diese Art des Gehens regt aber vor allem Frequenzen unterhalb von 100 Hz an.

Die Qualität der Trittschalldämmung lässt sich selbstverständlich auch in diesem Bereich unterhalb von 100 Hz messtechnisch erfassen und auch qualitätiv ausdrücken, z.B. mittels des Spektrumanpassungswerts CI, 50-2500 Hz. In der Fachliteratur wird auf solche Messungen außerhalb des von der DIN berücksichtigten Bereichs auch häufig verwiesen, vor allem in Zusammenhang mit "dröhnenden" Fußböden, die ansonsten hervorragende Trittschallwerte erreichen können.

Meine Frage ist nun: Wenn schon juristisch festgestellt wurde, dass die Höhe der in der DIN 4109 festgeschriebenen Schalldämmmaße nicht den aaRdT entspricht, liegt dann nicht auch die Annahme nahe, dass das festgelegte Messverfahren ebenso nicht alle von den aaRdT betroffenen Aspekte (hier: Trittschalldämpfung bei tiefen Frequenzen) berücksichtigt?

Müsste man bei der Bewertung, ob ein Boden die geschuldete Funktion im Hinblick auf Trittschalldämmung "liefert" nicht auch der Frequenzbereich außerhalb der DIN berücksichtigt werden, sofern er für die menschliche Wahrnehmung relevant ist? Insbesondere bei sogenannten "Komfort-Wohnungen"?

Anbei noch ein Link, der die Problematik gut darstellt:

Österreich scheint auch schon den Weg eingeschlagen zu haben:

  • Name:
  • GWeber
  1. Müsste?

    Genauer formuliert: "Müssten die Juristen nicht auch die die Trittschalldämmung in Frequenzbereichen unter 100 Hz berücksichtigen, wenn die Mehrheit der am Bau beteiligten Fachleute (Bereiche Planung, Estrichbau, Estrichdämmung und Schallschutz) wissen, dass man auch in diesem Bereich verlässliche Mess- und Beurteilungskriterien für den Trittschallschutz im niederfrequenten Bereich zur Verfügung hat? "

    Aus dieser Frageformulierung wird dann vielleicht klar, dass es vielleicht noch nicht an jeder Stelle eine belastbare Regel der Technik gibt, aber dass Juristen durchaus argumentativ diesen Weg gehen könnten, wenn Sie einen guten Sachverständigen finden, der genau diese Problematik in einem Gutachten offen thematisiert. Er muss halt nur die richtigen Beweisfragen vorgelegt bekommen!

  2. Die Schweiz ist (vielleicht?) weiter

    Die Schweiz ist weiter!

    Frage: Im Massivbau ist mit bauüblichen Bodenkonstruktionen ein weit besserer Trittschallschutz erreichbar, als dies die Norm SIA 181 fordert. Trotz Einhaltung der erhöhten Anforderungen kommen oft Beanstandungen vor (Gehgeräusche aus Nachbarwohnungen). Norm-Anforderungen und Erwartungen liegen weit auseinander. Strengere Normanforderungen würden auch dem problematischen Dröhnen unter 100 Hz bei Unterlagsböden entgegenwirken.

    Die (lapidare) Antwort: Das Dröhnen unterhalb von 100 Hz ist prognostizierbar und kann mit entsprechenden Maßnahmen vermieden werden.

    gefunden in: Schallschutz im Hochbau  -  Fragen und Antworten zur Norm SIA 181 Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein =>

    Was der Schweizer kann müsste der Deutsche (Planer) doch auch können, oder?

  3. Nun ja

    Es ist ein Unterschied, ob ein Haus nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik gebaut wird oder ob ein Haus nach einer darüber hinaus gehenden Baubeschreibung in der besondere Anforderungen (z.B. besonders guter Schallschutz) seitens der Bauherren genau festgeschrieben werden.

    Es kommt nicht besonders gut an, wenn man hinterher über die Prospekthaftung aus dem Begriff "Komfort-Wohnung" nachträglich einen besonders hohen Anspruch z.B. an den Trittschallschutz generieren will. Eigentlich sollte jedem klar sein, dass ein Planer sich erstmal an die RdT hält und wenn ein Bauträger Wohneigentum mit dem Wort Komfortwohnung verkauft, dass dann zumeist nur ein moderner Grundriss und eine gehobene Ausstattung gemeint ist.

  4. Meine Frage zielt ja auf die allgemein anerkannte Regeln der Technik zum Schallschutz

    Konkret: Was sagen die allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Trittschallschutz unterhalb von 100 Hz?

    Die DINAbk. 4109 sagt dazu meines Wissens nichts, aber sie ist ja auch nicht aaRdTAbk.  -  zumindest für Gebäude ab einem durchschnittlichen Komfortstandard, sagt wiederum der BGH.

    Muss ein Bauträger/Wohnungskäufer wirklich einen Pegelwert bzw. Spektrum-Anpassungswert im Bereich unterhalb von 100 Hz explizit vertraglich vereinbaren? (Wer außer Bauakustikern hat davon überhaupt schon jemals was gehört?)? Oder kann er davon ausgehen, dass es die orginäre Aufgabe einer Trittschalldämmung ist, Trittschall auch in diesem Frequenzbereich auf ein dem sonstigen Komfortniveau der Wohnung entsprechendes (den genauen Zahlenwert legen im Zweifel Gerichte fest) Maß zu senken?

    Wenn es stattdessen darauf ankäme, dass eine Phrase wie "besonders guter Schallschutz" vertraglich vereinbart wurde, dann würde z.B. das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21.05.2007  -  5 U 201/06 greifen. Dort wurde aus der Beschreibung "exklusive Wohnung" und einem entsprechenden Kaufpreis gefolgert, dass damit auch ein erhöhter/guter Schallschutz gefordert sei.

    Woran ich mich festbeiße: Es ist denkbar bzw. kommt tatsächlich vor, Luxus-Wohnungen mit ganz exquisitem Trittschallpegel ab 100 Hz zu bauen, die dennoch nur mit geringem Komfort zu bewohnen und nur mit großem Preisabschlag zu verkaufen sind, weil man jeden Schritt der (barfuß laufenden) Bewohner darüber hört. Der Verweis auf die nach Norm als besonders gut bewertete Trittschalldämmung wäre dann geradezu Irreführung.

    Da das Problem tieffrequenter Trittschallübertragung seit gut 20 Jahren diskutiert wird (wohl parallel zum Aufkommen von Fußbodenheizung und damit verbunden Barfußlaufen), sollte es doch mittlerweile einen Konsens (= aaRdT) unter Fachleuten geben, wie damit umzugehen sei. Gerade wenn man in Österreich bereits eine entsprechende Anpassung der Norm beschlossen hat (was ja eigentlich am Ende der Konsensbildung steht).

  5. Was sind eigentlich allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.)?

    • Von der Mehrheit der Fachleute als fachlich richtig bewertet.
    • Erprobt und bewährt!

    OK, und jetzt fragen Sie mal "die Mehrheit der Architekten und Bauingenieure", was Sie für die richtige Bauweise für einen schwimmenden Estrich halten und wieviel Schallschutz nötig ist. Sie werden regelmäßig als Antwort bekommen: "Naja als normaler Standard sind jetzt wohl die erhöhten Anforderungen nach DINAbk. 4109 Bbl. 2 geschuldet, oder?! "

    Hab noch nicht reingeschaut, aber ist im "neuen Entwurf" der DIN 4109 von 2013 auch nichts zum Thema niederfrequente Trittschallübertragung geäußert? Das wäre dann schade und sicher ein dringender Anlass für eine Ergänzung, so lange die DIN 4109 noch im Entwurfsstadium ist ... Schreiben Sie unbedingt mal den Normenausschuss der 4109 zu genau dieser Problematik an!

  6. Was sagt die DEGA dazu?

    Zwischenzeitlich habe ich eine Antwort vom Fachausschuss für Bau- und Raumakustik der Deutschen Gesellschaft für Akustik erhalten. Die E-Mail will ich hier nicht vollständig zitieren. Aber hier die zentrale Aussage:

    <<<<<<<<<<<<<< Es gibt im Bereich des Trittschalls sicher eine Diskrepanz sowohl in der Höhe der Anforderungen (baurechtlich: DINAbk. 4109; privatrechtlich z.B. VDI 4100) als besonders auch in der Wahl der Anforderungsgrößen (L'nw, Lntw, L'nw+CI50-2500 Hz) zwischen dem was in der Zwischenzeit Stand der Wissenschaft ist und was in Normen und Richtlinien gefordert wird. Zum Beispiel ist L'nw+CI50-2500 Hz sicher die geeignetere Größe bei der Beurteilung oder aber auch bei der Planung von Massivdecken mit schw. Estrich oder bei Holzbalkendecken. <<<<<<<<<<<<<<<

    Wie groß ist wohl der Sprung vom "Stand der Wissenschaft" zum "Stand der Technik"? Zumal es beim Vermeiden des "Dröhnens" ja hauptsächlich einer ordentlichen Planung bedarf und nicht des Einsatzes deutlich teureren/aufwendigeren Materials.

    Gerade aufgefallen: Das von der DEGA im Jahr 2009 empfohlene Verfahren für einen Schallschutzausweis ("DEGA-Empfehlung 103") zieht den Spektrum-Anpassungswert C, 50-2500 Hz für die Bewertung heran. Aber klar, wieder die Frage, inwiefern so ein Dokument aaRdTAbk. wiedergibt/definiert. Seufz.

    PS: Im Normausschuss sitzen ja neben den "Technikern" noch andere Interessengruppen, die wohl eher am Status quo interessiert sind.


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