Putzfassade durch örtliche Bauvorschrift wirksam ausgeschlossen?
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Putzfassade durch örtliche Bauvorschrift wirksam ausgeschlossen?

Hallo zusammen,
bei unserem Bauvorhaben herrscht einige Unsicherheit, ob Putzfassaden zulässig sind oder nicht.
Zunächst die grundlegenden Informationen: Wir bauen in einem Baugebiet in der Nähe von Braunschweig, das nicht als reines Wohngebiet deklariert ist, sondern als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Wohndorf. Das Baugebiet gliedert sich südlich an ein Dorf mit rund 350 Einwohnern und wurde nicht durch die Gemeinde, sondern durch zwei Privatpersonen initiiert, die die Investitionen und Vermarktung übernehmen. Die Besonderheit dieses Baugebietes ist, dass die Grundstücke mind. 1000 m² bzw. 1.500 m² groß sind. Das ist für die Fragestellung allerdings eher unwesentlich. Für dieses Gebiet gibt es auch eine örtliche Bauvorschrift, in der zu der Fassadengestaltung folgendes geregelt ist:
§ 4 AUSSENWANDFLÄCHEN
(1) Für Hauptgebäude sind massive Bauweise als Sichtmauerwerk oder Fachwerkbauweisen zulässig. Die Gefache können als Sichtmauerwerk oder verputzt ausgeführt werden.
Mischkonstruktionen von Fachwerk und massiver Bauweise (in Sichtmauerwerk oder verputzt) sind zulässig.
(2) Für Nebengebäude ist ergänzend zu (1) eine reine massive Bauweise in Sichtmauerwerk oder verputzt zulässig.
(3) Sichtmauerwerk ist aus glatten, nicht genarbten und nicht besandeten Ziegelsteinen in Normalformat (NFAbk.) oder Reichsformat oder in Naturstein zulässig.
Für Putzflächen gilt, dass sie als glatt-X1234Xbis mittelkörniger Putz mit gleichmäßiger Oberfläche auszuführen sind.
(4) Für die Fachwerkkonstruktion sind nichtglänzende und diffusionsoffene Schutzanstri- che in den Farben der RAL Farbreihe 840 HR, Farbreihe Braun und Farbreihe Grau, zulässig:
(.. hier verschiedene RAL-Nummern..) Zwischentöne der genannten Farbtöne sind innerhalb einer Farbe zulässig.
Für Ziegelsichtmauerwerk sind die folgenden Farben der RAL Farbkarte 840 HR, Farbreihe Rot zulässig:
Farbreihe ROT
(.. hier verschiedene RAL-Nummern..)
Zwischentöne der genannten Farbtöne sind zulässig.
Für Putzflächen sind die folgenden Farben der RAL Farbkarte 840 HR, Farbreihen Weiß, Gelb und Rot, zulässig:
(.. hier verschiedene RAL-Nummern..)
(5) Als Material für Verkleidungen sind nur zulässig:
a) Naturrote Ziegel in den Farben gem. § 3 (2) dieser Gestaltungssatzung.
b) Holz in senkrechter Schalung (Deckelschalung, Leistenschalung o.ä.) mit einer Mindestbreite von 0,15 m.
c) Zink und Kupfer ohne Farbbeschichtung in Stehfalzdeckung mit matter bzw. patinierter Oberfläche.
Die zuständige Gemeinde ist der Meinung, damit wirksam Putzfassaden ausgeschlossen zu haben, genehmigende Behörde ist aber das Bauamt des Landkreises. Von den 4 bisher gebauten Häusern ist allerdings eines verputzt, das wurde entsprechend durch Baugenehmigung genehmigt. Unser Haus befindet sich gerade im Rohbau, auch wir haben eine Putzfassade genehmigt bekommen (Baugenehmigung nach § 75 NBauO, durch Zeichnungen und Baubeschreibung wird deutlich, dass es Putz ist und nicht Fachwerk oder Verblender). Ein zukünftiger Nachbar 2 Grundstücke weiter hatte seinen Bauantrag mit Putzfassade einen Monat vor uns eingereicht und die Fassade wurde abgelehnt. Das bereits fertige Haus mit Putzfassade wurde schon ein Jahr vor unseren Bauanträgen fertiggestellt.
Dazu meine eigentlichen Fragen: Wie kann es sein, dass das Bauamt erst ein Haus mit Putz genehmigt, dann eines ablehnt und dann wieder eines genehmigt (unseres)? Wohlgemerkt alles der gleiche Sachbearbeiter..
Wichtiger ist aber eigentlich, ob die Gemeinde mit dieser öbvAbk. Putzfassaden überhaupt wirksam ausgeschlossen hat und ob das überhaupt möglich ist? Das Dorf, an das das Gebiet angrenzt, ist ein normales Süd-niedersächsisches Haufendorf mit ca. 40 % Verblend- / Sichtmauerwerk, 20 % Fachwerk und 40 % Putzfassaden. Im nördlichen Teil des Dorfes ist ein ca. 10 Jahre altes Baugebiet mit ausschließlich verputzten Reihenhäusern.
Mir liegt der Entwurf der 2. Änderungen der ÖBV vor, der sich gerade in der Entscheidung befindet. Der Paragraf zu Außenwandflächen ist nur geringfügig verändert, in der Begründung heißt es aber, dass "die für das Ortsbild sowie für historische Hofanlagen typischen Außenwandflächen aus Fachwerk und Sichtmauerwerk bzw. aus verputzten Mauerflächen als prägender Maßstab für die vorliegenden Festsetzungen herangezogen" werden. "Es werden nur ortstypische Konstruktionen, Materialien und Farben zugelassen. " Darf also aus verwaltungsrechtlicher Sicht Putz überhaupt ausgeschlossen werden? (auch wenn hier starke Zweifel erlaubt sind, ob der Ausschluss hier überhaupt erfolgt ist).
Vielen Dank vorab,
Sebastian
  • Name:
  • Sebastian
  1. Tolle Wolle ...

    Hier hat mal wieder der Regulierungswahn sich selbst KO geschlagen.
    Nr 1 ist eigentlich eindeutig. Massiv in Verblendung, bei Fachwerk darf die Ausfachung verputzt werden. Kein Diskussionsthema  -  juristisch! .
    Nr. 2 schießt das Ganze ins Nirwana, weil durch die Anordnung des (...) -Zusatz Maissvbauten in verputzt zulässig werden, wenn denn ein Mischmasch aus massiv und Fachwerk gebaut wird. Es wird nicht einmal ein Anteil der Fachwerkfläche an der Gesamtansichtsfläche definiert.
    Also reicht im Prinzip ein Eingangsvorbau in Fachwerk mit geputzten Ausfachungen, um den Rest als reinen Putzbau erstellen zu dürfen.
    Zu allem Überfluss hat die Gemeinde oder der Kreis nun den Sündenfall des reinen Putzbaus ohne einen Minimalanteil Fachwerk genehmigt.
    Was ergibt sich daraus?
    A) Die Baugenehmigung ist kein Freibrief, sie kann fehlerhaft sein und wäre dann aufzuheben (das geht!). Allerdings würde die Genehmigungsbehörde dann ggf. in Amtshaftung für die Folgekosten kommen!
    B) Die Ortssatzung ist widersprüchlich. Ergo müsste, sollte es hart auf hart kommen, ein Gericht entscheiden, was denn eigentlich gewollt gewesen sein könnte.
    Nun kann man argumentieren, geputzte Ausfachungen seien ja wie eine gegliederte Putzfassade anzusehen. Wie weit dieses Argument vor Gericht trägt, hängt auch an den Argumenten der Gemeinde!
    Auf einen im Sinne der putze positiven Ausgang würde ich allerdings keine HOHEN Wetten abschließen.
    C) Die Gemeinde hat gemerkt, wie mies die Formulierungen sind und versucht gegenzusteuern. Warum sie damit mal Erfolg hat und mal nicht, müsste im Einzelfall geprüft werden.
    Ich würde unter Verweis auf den bereits errichteten Bau mit der Genehmigungsbehörde verhandeln und danach mit der Gemeinde.
    Aber Achtung:
    Diese Verhandlungen sollten Baurechtslaien nicht alleine führen, sondern sie einem entsprechenden Fachmenschen (Architekt / Ingenieur) überlassen. Sonst führt das meist in ein Desaster.
  2. Ist der Ausschluss überhaupt rechtens?

    Hallo Herr Dühlmeyer,
    vielen Dank für Ihre Antwort.
    Für mich ist das ganze allerdings nicht ganz so eindeutig, wie Sie es nach 1. sehen. Zwar ist in (1) geregelt, dass Verblender und Fachwerk zulässig sind, aber wo steht, dass Putz unzulässig ist? Es steht ja auch z.B. nirgendwo explizit, dass Verkleidungen zulässig sind, nur was für Materialien dafür erlaubt sind. Ebenso ist nicht gesagt, dass reine Putzfassaden unzulässig sind und auch die nachfolgenden Regelungen zur Farbe und Struktur referenzieren nicht Putz nach § 4 (1) und (2) sondern nur allgemein Putzfassaden.
    Über die Formulierung bei der Mischung von Fachwerk und Putz haben wir uns auch schon amüsiert, der öbvAbk. nach reicht ja 1 % Fachwerk ...
    Gutes Beispiel für den Wahnsinn: In der 2. Änderung der ÖBV ist zur Dacheindeckung folgendes geschrieben: "Zulässig sind naturrote Dachziegel, naturbraune oder graue Dachsteine (...) ". Daraufhin habe ich den Bauamtsleiter der Gemeinde gefragt, ob jetzt nur Betondachsteine in Grau zulässig wären, was er verneinte. Die Vorschrift gibt das aber her.. auf die Frage, was mit grau gemeint sei, antwortete er "hellgrau", obwohl keinerlei weitere Farbangaben (RAL-Nummern) zu den Dacheindeckungen gemacht werden. Auf meinen Einwand, dass es auch anthrazitgraue RAL-Farben gäbe hieß es dann, dass das nicht gemeint sei. Gefühlt ist es reine Willkür, wie dort entschieden wird. Bis vor kurzem wurden die mittlerweile geänderten Textlichen Festsetzungen so ausgelegt, dass Tierhaltung bei Wohnbebauung ein Muss sein sollte. Das ging soweit, dass das Bauamt vorschreiben wollte, was man für Tiere halten muss, damit der Antrag genehmigungsfähig sei (Kaninchen oder Hühner reichten nicht hin, es sollten Zuchttiere sein (indische Gänse, Alpakas usw.) ).
    Ich zweifle allerdings weiterhin, ob die Gemeinde überhaupt wirksam Putzfassaden ausschließen kann. Wir haben die ÖBV mal von einem Verwaltungsrechtler prüfen lassen, der kam zu dem Schluss, dass die ganze Vorschrift so schlechtes Handwerkszeug ist, dass dort eigentlich nichts rechtssicher geregelt ist.
  3. Die Herren Doktoren

    Foto von Josef Schrage

    im Vorstand des Ausschusses Umwelt, Verkehr und Planung
    sollte man mal dahingehend überprüfen ob die Dr. Titel evtl. auch anderweitig "erworben" wurden.
    Der "Fachbereichsleiter" wäre es Wert, auch mal untersucht zu werden ...
    Bei dem
    "Full-Service für Investoren
    Im Rathaus der Gemeinde Vechelde erhalten Sie umfassende Unterstützung bei Ihrer Neuansiedlung sowie bei allen späteren Projekten. "
    ist offenbar nichts unmöglich!
  4. nichts ist unmöglich..

    In der Tat ...
    Das allerschärfste hat ein Arbeitskollege meiner Frau mit dem Sachbearbeiter erlebt (immer die gleiche Person, der ist alleine zuständig für 2 Gemeinden). Der Kollege baut 2 Grundstücke weiter bzw. möchte bauen. Jetzt musste er Garage und Auffahrt umplanen, weil der Sachbearbeiter ihm keine Auffahrt mit mehr als 5 Metern Länge genehmigen wollte, das gäbe es ja im ganzen Landkreis nicht.
    Dazu sei angemerkt, dass es auf den Grundstücken keine festgelegten Baufelder gibt.. Unsere Auffahrt hat so ca. 8-9 Meter, ein Nachbar hat 40 Meter ...
    Wir hatten bislang noch keine Probleme mit dem Herrn, aber der scheint verschärft nach Nasenfaktor zu entscheiden.
  5. Erlaubt ist, ...

    was nicht verboten it, greift im Baurecht nicht. Zulässig ist ... bedeutet im Umkehrschluss, alles andere ist unzulässig. Daher passt mein 1) schon ;-).
    Ortssatzungen sind ein wahrer Hort der Stümperei. Die einen würden am liebsten noch die Farbe des Klopapiers festschreiben, die anderen stellen unerfüllbare Satzungen auf.
    Oder solche, die 5 Juristen für die nächsten 10 Jahre ein Grundeinkommen sichern.
    Was gemeint, gedacht oder gewollt ist, ist erstmal nicht wichtig.
    Wenn in der Ortschaft die Höchstgeschwindigkeit auf 50 begrenzt ist, so kann ich langsamer fahren, muss es manchmal auch, aber der Sheriff kann mich nicht bestrafen, wenn ich eine Straße mit 50 befahren kann, auf der andere das nicht können, so lange dort keine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt.

    Was bei so blödsinnigen Satzungen wirklich geht, entscheidet im Streitfall der Richter.
    Und der sollte herausfinden, was denn die "Väter" dieser Satzung GEWOLLT haben und ob das, was sie wollten auch angemessen ist.
    Das kann für alle ein heiterer Ritt auf dem Bullen werden, denn am Ende kann dabei herauskommen, dass (schlimmstenfalls) alle genehmigten Häuser nicht baurechtskonform sind oder aber im anderen Extrem, dass die gesamte Satzung hinfällig ist und somit § 34 gilt.

    Nasenfaktor ist bei vielen Gemeinden ein gern genutztes Beurteilungskriterium. Ein anderer, ebenso beliebter ist der Vereinskameradenfaktor.

  6. alles hinfällig?

    mein vorerst letztes Beispiel für den Dilletantismus =>
    Das Gebiet ist als "Sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Wohndorf" deklariert. Ich vermute, dass damit das Thema Kleingewerbe/Handwerksbetriebe abgefrühstückt werden sollte. Jedoch sagt § 11 Baunutzungsverordnung (BauNVOAbk.) zu "sonstigen Sondergebieten": Als sonstige Sondergebiete sind solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 wesentlich unterscheiden. (zur Erinnerung § 2 bis 10: § 2 Kleinsiedlungsgebiete, § 3 Reine Wohngebiete, § 4 Allgemeine Wohngebiete, § 4a Gebiete zur Erhaltung und Entwicklung der Wohnnutzung (besondere Wohngebiete), § 5 Dorfgebiete, § 6 Mischgebiete, § 7 Kerngebiete, § 8 Gewerbegebiete, § 9 Industriegebiete, § 10 Sondergebiete, die der Erholung dienen)
    Ferner ist in § 11 noch konkretisiert: "Als sonstige Sondergebiete kommen insbesondere in Betracht Gebiete für den Fremdenverkehr, wie Kurgebiete und Gebiete für die Fremdenbeherbergung, Ladengebiete, Gebiete für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe, Gebiete für Messen, Ausstellungen und Kongresse, Hochschulgebiete, Klinikgebiete,
    Hafengebiete, Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Wind- und Sonnenenergie, dienen. "
    Nichts davon ist zutreffend. Zulässig ist dort Wohnbebauung (i.V.m. Hobbytierhaltung) und nicht störende Handwerksbetriebe, die aber auch in Wohngebieten oder Kleinsiedlungsgebieten zulässig wären.
    Die Deklaration als sonstiges Sondergebiet kann also so nicht korrekt sein, da sich das Gebiet nicht, wie nach § 11 gefordert, wesentlich von z.B. § 2 oder § 3 unterscheidet. Welche Auswirkungen hat das auf die textlichen Festsetzungen und öbvAbk.?

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